Stadt. Staub. Stimme.

An einem Wintertag trug es uns durch die Straßen. Breit, von modernen Autos gesäumt. Sonnenstrahlen wärmten meine Nase unter dem klaren, tiefblauen Himmel. Durch Straßen, die die Spuren geschichtlicher Ereignisse in sich tragen. Zwischen rissigen Fassaden und Street-Art-Wänden strecken Hochhäuser ihre Schatten über kleine Läden und Straßenstände. Vorbei an gezeichneten und leerstehenden Gebäuden in Downtown – verlassen von weißen Menschen, von Investitionen und vom Interesse an weiterer Entwicklung. Ein Zentrum das von Kultur geprägt und von Unsicherheit getragen wird. Eine Geschwindigkeit der anderen Art. Vermieden von den einen, das Zuhause der anderen. Geteilt und stückweise vereint. Verlagertes Gold der Bankengebäude. Irgendwo zwischen verloren und vergessen wirken die großen grauen Gebäude. Ein Braunton zieht sich über die Kreuzungen hinweg. Eine Fassade an der anderen lassen einen in die 70er Jahre eintauchen.

Constitution Hill – ein Ort, an dem Mauern sprechen. Gefängniszellen, die Namen tragen. Geschichten, die hängen bleiben, selbst wenn du längst weitergezogen bist. Es ist ein Ort, der Menschenrechte nicht nur spiegelt und erlebbar macht, sondern sie selbst lebt. Die Betonfassaden flüstern einem vergangene Prozesse zu. Stille Stimmen, die mich in die Studienjahre zurückversetzen. Die mich in die Zeilen und Seiten der Biografie von Nelson Mandela verschwinden lassen. In die Sorgen, Kämpfe, Wertvorstellungen, und Hoffnung der Stimmen dieser Stadt. Die Stimmen der Gerechtigkeit. Die Stimmen der Freiheit. Die Stimmen der Gleichberechtigung. Die Stimmen des Respekts. Die Stimmen des Seins – des gleich Seins.

Ponte City ragt in den Himmel – roh, zylindrisch, umgeben von Geschichten, die sich im Inneren verfangen haben. Ein Gebäude, das mehr erzählt – zwischen Verfall und Verheißung. Das Licht im Goldton bricht durch die spiegelnde Scheibe im 52. Stockwerk. Spielt auf dem Boden der einheimisch gestalteten Bar. Einfach und prägend. Ein Mischpult, zwei bunte Gemälde und schwarzweiße Zeichnungen umspielen die Wände. Bunte Kissen säumen gestapelte Getränkekisten. Ein paar Meter weiter blickt man in eine tiefe Schlucht entlang der inneren Häuserfassade. Der Blick durch die einfachen, dünnen Fenster reicht nicht nach unten – verbirgt die Geschichte, die einst war, und die felsenartigen Überbleibsel der vergangenen Jahre, wo sich zuvor Müll und Mensch ansammelten. Unten tanzen Kinder zu den Klängen eines Tyla Lieds. Ein Klang und Rhythmus, der nicht nur die eigene Hüfte und Füße zum Bewegen anregt, sondern auch zu einer Bewegung raus aus dem Straßenleben.

Johannesburg fühlt sich an wie ein Puzzle aus Jahrhunderten, aufgeteilt in Stadtteile, die sich kaum in ein gemeinsames Narrativ pressen lassen.

Sandton. Glatt, gläsern, wirtschaftlich selbstbewusst. Dort, wo der Finanzmarkt pulsiert und der Unterschied zwischen SUV und privaten Sicherheitsfirmen kaum spürbar ist. Alles glänzt ein bisschen mehr. Auch die Menschen. Irgendwie surreal, aber vielleicht auch ein notwendiger Kontrast.

Parkhurst gleicht einer perfekten Gegenbewegung, die einen in moderne, gemütliche Städte transportiert. Eiscafés mit kleinen Tischen auf dem Gehweg, Hunde an langen Leinen, Steakhouses und Cafés. Eine Gegend, die irgendwie nach Wochenendbrunch schmeckt. Der Kaffeegeruch vermischt sich mit Gesprächen und Laptops auf kleinen Tischen. Ein Ort, der entschleunigt, ohne sich gehen zu lassen.

Ähnlich familiär und gemütlich wirkt Greenside. Alleen säumen die Straßen entlang von Mauern und schicken kleinen Häusern – bis hin zum Golfplatz.

Rosebank liegt irgendwo dazwischen. Modern, aber nicht glatt. Kommerziell, aber mit Ecken. Vielleicht der Stadtteil, der nicht weiß, wohin er eigentlich will.

Die Räder tragen uns raus aus der Stadt hin zum Cradle of Humankind. Die Luft schmeckt anders – staubiger, leichter, rauer. Irgendwo unter den braunen Füßen meint man Fossilien zu spüren – Erinnerungen an den Anfang von allem. Es ist einer dieser Orte, an denen du innehältst und dich fragst, wie viel eigentlich bleibt, wenn alles vergeht. Und an dir vorbei ziehen Wildtiere in der Ruhe der Natur. Das blühende Grün entlang der kleinen Seen ist vermutbar. Eine grenzenlose braunrote Weite, die fast bis Magaliesburg sehen lässt. Das Farmhouse so rustikal in der rauen Natur, umsäumt von Gemüsegärten und Beigetönen. Es lässt mich durchatmen und meine Seele leichter werden. Im Grünen ruht ein Yoga Pavillon unter dem Klangschalen die Sonne reflektieren. Ein Sonnenuntergang wie eine Farbpalette, Berge, die sich am Horizont wie schlafende dunkelblaue Riesen unter die Decke legen.

Und ich sitze auf der Terrasse, eine Tasse Espresso in der Hand. Ein müder und zugleich voller Kopf. Es überkommt mich dieses Gefühl – vielleicht ist Johannesburg keine Stadt. Vielleicht ist sie ein Zustand. Ein Widerspruch. Eine Vibration des Lebens. Ein Anfang.