Es ist Sonntag und ich strecke meine nackten Zehen in die Sonnenstrahlen. Seit Wochen mal wieder ein Tag an dem es sich lohnt einen Balkon zu haben. Welche Ironie das doch ist, dass ich Montagnacht noch an der Spree entlanglief und die tanzenden Schneeflocken im Licht der Straßenlaternen beobachtete und durch den knirschenden Schnee stapfte mit der Gewissheit, dass das vermutlich der letzte Schnee des Jahres sein wird. Seit Freitag haben wir seit Wochen mal wieder Plusgrade. So begeistert ich von den gefrorenen Seen und Flüssen in den letzten Wochen war, so begeistert bin ich wiederum von dem kommenden Frühling. Die Leute treibt es raus trotz Corona. Die Zahlen steigen wieder. Ein auf und ab. Man spaziert die Straßen entlang und durch die Parks mit gesenktem Blick. Versucht allen aus dem Weg zu gehen. Man distanziert sich von der Gesellschaft von der Nähe zu Fremden. Nur die eigenen Freunde lässt man nah an sich heran. Unten beobachte ich zwei Kinder, die auf kleinen Fahrrädern den Weg entlanggurken. Die ersten Fahrversuche ohne Stützräder.
Distanz ist vermutlich das Wort des Jahres. Von hier oben lässt sich das Treiben von Menschen in dem kleinen Park unseres Innenhofes stundenlang beobachten. Schreie, Gespräche und die konstanten Schläge des Fußballs gegen das Gitter vom kleinen Sportplatz neben an spiegelt die Leichtlebigkeit des Frühlings wider. Erst wenn die Sonne untergegangen ist verschlägt es alle wieder in die Häuser, aber bis dahin muss man die Sonnenstrahlen auf der Haut ausnutzen und sich wärmen lassen.
Ich lerne Berlin von einer ganz anderen Seite kennen. Keine Touristen, die am Checkpoint Charlie versuchen das perfekte Bild einzufangen. Keine Partyleichen, die am Sonntag mit Sonnenbrille durch die Gegend tigern und versuchen den Weg nach Hause zu finden. Viele Menschen, die am Wochenende die Parks und grünen Flecken der Stadt für einen Spaziergang aufsuchen. Gerade am Wochenende treibt es mich nach draußen. Berlin ist umgeben von vielen Seen. Einer ganz anders als der andere. Und von Wäldern, hier Forste genannt, in denen vor allem in der jetzigen Zeit die Vögel munter zwitschern und die Spechte klopfen. Erst dann merkt man wie der Straßenlärm zum täglichen Begleiter wird sodass man ihn fast gar nicht mehr wahrnimmt. In der Stille des Waldes lässt sich daher wunderbar innehalten und Ruhe finden. Entlang der Waldwege die Woche reflektieren und den Gedanken freien Lauf lassen. Man erspürt eine Freiheit, die unglaubliche Weite des Waldes. Und dennoch nicht finster oder erdrückend. Es sind zwar 30 Minuten Fahrt, aber das Naturerlebnis macht diesen Zeitaufwand wieder wett.
Wenn in der Heimat die Welt still zu stehen scheint gibt es hier täglich Neues zu beobachten und erleben. Es ist viel Leben und Bewegung, von Demonstrationen zu lauten Feuerwehrwägen. Ich genieße es derzeit immer neue Ecken Berlins zu entdecken bei Spaziergängen durch die Stadt. Viele kleine Kieze, die eine andere Atmosphäre widerspiegeln. Die Architektur der Gebäude und Häuser ändert sich kontinuierlich und bringt viel Abwechslung. Vermutlich einer der Vorteile zwischen den Kiezen und ziemlich mittig zu wohnen. Man kann flexibel andere Wege einschlagen und erkunden ohne sich erstmal in die Bahn setzten zu müssen. Am Landwehrkanal die aufsteigende Sonne des Morgens beobachten und den schwimmenden Schwänen zuschauen; die beleuchteten Gebäude im Barockstil entlang der Museumsinsel bestaunen, die ein vergangenes Zeitalter widerspiegeln; das Regierungsviertel am Rande der Spree zu umrunden und sich die politischen Ereignisse wieder vor Augen zu führen; und nicht zuletzt durch den Tiergarten zu joggen entlang von kleinen Flüssen und Seen an der Siegessäule, dem Schloss Charlottenburg und dem Gropiusbau vorbei. Sightseeing auf dem Weg zum Büro über den Gendarmenmarkt, vorbei an den schön dekorierten Schaufenstern der Nobelläden in der Friedrichstraße. Ja auch Berlin hat seine Vorzüge. Und irgendwie fühlt es sich mittlerweile fast wie Heimat an, wenn ich den Potsdamer Platz passiere und den Fernsehturm erblicke.